Nicht die Türen zuschlagen

(v.l.n.r.) Hakan Taş, Feleknas Uca, Martina Michels, Serpil Kemalbay, Gabi Zimmer, Besime Konca, Ayse Berktay | Foto: Konstanze Kriese

EU-Türkei-Bericht: Nicht die Türen zuschlagen, die Türkei ist mehr als Erdoğan

Martina Michels, stellvertretendes Mitglied in der EU-Türkei-Delegation, erklärt zur Abstimmung über den Kommissionsbericht über die Türkei 2018:

„Die zuständige Abgeordnete Kati Piri (S&D) hat einen sehr kritischen Bericht vorgelegt, der lückenlos die Folgen des Ausnahmezustands nach dem gescheiterten Putsch im Juli 2016 auflistet, inklusive der Verfolgung politischer und gesellschaftlicher Oppositioneller innerhalb der Türkei und über ihre Grenzen hinaus. Es wird sowohl auf die politisch motivierte Verhaftung des einstigen HDP-Vorsitzenden, Selahattin Demirtaş, hingewiesen, die am 20. November 2018 laut Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) hätte aufgehoben werden müssen, als auch auf die systematische Repression gegenüber Journalist*innen, Schriftsteller*innen, Wissenschaftler*innen und Menschen, die sich für Frauen und LGBTIQ-Rechte einsetzen.“

„Ich habe es befürwortet, dass das Parlament sich grundsätzlich für eine Aussetzung der Beitrittsverhandlungen statt für einen Abbruch entscheidet und deshalb dem Bericht zugestimmt – mit zwei Abstrichen, wie den Äußerungen zur NATO-Partnerschaft und der einseitigen Positionierung zur PKK, die ich so nicht teile.“*

„Letztlich muss man jedoch auch festhalten, dass Erdoğan, der den gescheiterten Putsch als ein ‚Geschenk Gottes‘ bezeichnete, zuvor von der EU als ihr Türsteher eingerichtet wurde. Der Deal zwischen der EU und der Türkei zur Geflüchteten-Abwehr fördert das Wegschauen bei der systematischen Verfolgung der Opposition und das folgenlose Mahnen beim Überfall auf Afrin.“

„Inzwischen ist die ehemalige Europaparlamentarierin Feleknas Uca mit vielen Jahren Haft bedroht. Seit November ist die Politikerin Leyla Güven im Hungerstreik. Zu solchen Mitteln wird erst dann gegriffen, wenn jegliche Handlungsmacht geraubt wurde und ich muss unterstreichen, dass nach den Übergriffen vom 8. März auf Proteste vom Frauen in der Türkei zum Internationalen Frauentag, besonders Frauen akut unter dem Erdoğan-Regime leiden. Sie sollen systematisch mundtot und unsichtbar gemacht werden. Dies habe ich in meinem Plenarbeitrag nochmal deutlich gemacht.“

*Die EP-Linksfraktion GUE/NGL hatte dazu u. a. Änderungsanträge eingereicht, die aber nicht angenommen wurden.

Dieser Artikel ist zuerst auf DIE LINKE. im Europaparlament erschienen.