Derzeitige Lösungen sind fairem Urheberrecht im digitalen Zeitalter nicht gewachsen

Martina Michels | Foto: Louise Schmidt

An welchen Punkten das neue Copyright noch einmal diskutiert werden sollte

Erschienen in MEINUNGSBAROMETERINFO am 8.3.2019

„Ich hätte mir gewünscht, dass die Artikel, die tatsächlich die Verhandlungsposition der Urheber stärken – Art. 14 – 16 – mutiger und deutlicher ausgefallen wären“, sagt die Linke Europa-Abgeordnete Martina Michels. Leider seien Debatten über wichtige Punkte von den Diskussionen um die Art. 11 und 13 völlig überlagert worden. Auch hier übt Michels Kritik.


Der finale Entwurf für die EU-Copyright-Richtlinie steht – und enthält z.B. die umstrittene Haftung von großen Plattformen für Urheberrechtsverstöße. Wie bewerten Sie den geplanten Artikel 13?
Auch wenn es nun Ausnahmen für kleine Firmen für die ersten drei Jahre bei einem Jahresumsatz von unter 10 Millionen € gibt, die Unternehmen von der verbindlichen Nutzung von automatischer Erkennungssoftware freistellen, ist der ganze Artikel eine Fehllösung für das Problem, das Musikerinnen oder Autoren im Netz zu wenig verdienen. Auch bisher sind Urheberrechtsverstöße strafbar und können erfolgreich zur Anzeige gebracht werden. Das nachranginge Handeln und Reagieren der Sharing- und Videoplattformen, das auch die Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie prägt, ist sinnvoll, denn Uploadfilter, die ja auch schon jetzt im Einsatz sind, können Kontext nicht ermitteln. Sie unterscheiden nicht zwischen Zitat, Parodie, unerhebliches Hintergrundgeräusch, z. B. beim Livestream von einer Demo. So wie Art. 13 derzeit angelegt ist, wird hier nicht nur eine chaotische, unkontrollierbare Zensurinfrastruktur anvisiert, sie wird überdies auch noch in private Hände gelegt. Urheber haben davon erst einmal praktisch ohnehin keinen Cent mehr, denn deren Rechte und Verhandlungsmacht werden in den Art. 14 – 16 behandelt.

Bestimmte Start Ups und nichtkommerzielle Angebote sollen von diesen Regeln ausgenommen sein. Wie stehen Sie dazu?
Es gibt die Sonderlösung für Wikipedia und kleine Firmen, die dann aber schon wissen: in drei Jahren müssen wir eine riesige Investition tätigen oder wieder aufhören. Das ist de facto eine Scheinlösung.

Nach dem finalen Entwurf kommt auch das Leistungsschutzrecht. Was schätzen Sie diese Regelungen ein?
Das Leistungsschutzrecht für Presseverleger hat weder in Deutschland noch in Spanien funktioniert. Hier soll der unsinnigste Vorstoß einer Marktbereinigung europäisch harmonisiert werden. Kein Journalist, keine Journalistin werden davon einen Cent mehr haben. Würde man es da ehrlich meinen, hätte man total-buy-out-Verträge ausgeschlossen, doch die stehen noch immer in der Richtlinie. Und zum Argument des Zeitungssterbens kann man immer nur wieder festhalten: Es waren die großen Presseverleger, die über Jahre ihre Printsparten herunter gefahren haben. Google & Co kann man mit gerechter Besteuerung zur Kasse bitten. Davon als Gesellschaft Journalismus zu fördern, dass würden wir sicher alle unterschreiben. Wenn wir aber nur zu den Presseverlegern umverteilen und diese Marktbereinigung zum Gesetz erheben, dann zerstören wir eher auch eine Landschaft von alternativen Newsportalen und einen Teil der referenzierenden Netzkommunikation, die oft für Journalistinnen und Journalisten auch gute Werbung bedeutet.     

An welchen weiteren Details im finalen Entwurf sehen Sie ggf. noch Änderungsbedarf?
Ich hätte mir gewünscht, dass die Artikel, die tatsächlich die Verhandlungsposition der Urheber stärken – Art. 14 – 16 – mutiger und deutlicher ausgefallen wären. Auch der Schutz des nutzergenerierten Inhaltes hätte eine deutliche Anerkennung verdient. Und last  but not least, vieles, was bei den Ausnahmen in den Art. 3 – 5 behandelt ist, hätte auch großzügiger ausfallen können und ich hätte mit über die Bildungs-, Kulturerbe- und Wissenschaftsausnahme eine breitere gesellschaftliche Debatte gewünscht, die nun von den Diskussionen um die Art. 11 und 13 völlig überlagert wurde.

Die Richtlinie soll noch in dieser Legislatur des EU-Parlaments verabschiedet werden. Befürworten Sie das? 
Ich fände es gut, jetzt anzuerkennen, dass viele Fragen nicht ausdiskutiert sind und dass die derzeit vorliegenden Lösungen einem fairen Urheberrecht im digitalen Zeitalter nicht gewachsen sind. Die große Aufmerksamkeit auch die die europaweiten Demonstrationen für eine freie Kommunikation im Netz zeigen, dass hier das Parlament ganz offensichtlich nicht wirklich auf der Höhe der Zeit ist und die Hausaufgaben ganz ernsthaft mit in die nächste Legislatur nehmen sollte. Für diese Entscheidung werde ich bei der Abstimmung Ende März werden. Faire Vergütung im Netz ist ein Punkt, der mit neuen Modellen – von Flatrates bis Lizenzierungen – angegangen werden muss. Zugleich haben wir eine Verantwortung, Grundrechte und Diskriminierungsfreiheit offline wie online zu sichern und nicht durch die Hintertür Zensur- und  Überwachungsstrukturen das Tor zu öffnen.